„Spotlight – Blick hinter die Kulissen“ – Folge 24 vom 6. Dezember 2022

Was zeichnete die Rolle der Frauen in den indigenen Gesellschaften Ozeaniens aus?

Bei einer Antwort auf diese Frage ist es sehr wichtig, zu differenzieren. Sie macht auch deutlich, dass „Ozeanien“ ein Konstrukt und kein einheitlicher gesellschaftlicher oder kultureller Raum ist. In Ozeanien existierten sehr viele und sehr unterschiedliche Gesellschaftsformen. Eine Gemeinsamkeit vieler ozeanischer Gemeinschaften war jedoch eine deutliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Es gab somit weibliche und männliche Bereiche im Handwerk, im Anbau oder bei der Jagd oder Tierhaltung, die mehr oder weniger deutlich voneinander getrennt waren. Insbesondere in Melanesien bezog sich diese Arbeitsteilung auch auf den religiösen Bereich: Es waren in der Regel die erwachsenen Männer, die Verantwortung für Zeremonien trugen, die für die gesamte Gesellschaft von großer Bedeutung waren. Aber auch die Frauen führten Zeremonien und Rituale durch, die jedoch vor allem für den weiblichen Bevölkerungsteil Geltung besaßen. Weibliche und männliche Sphäre waren allerdings nicht voneinander getrennt, sondern komplementär. Erst das Zusammenwirken beider machte das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft möglich. Während sehr viele historische Gesellschaften Ozeaniens männlich geprägt waren, gab es insgesamt doch ein breites Spektrum der Geschlechterrollen. Gerade in den Adelsgesellschaften Mikronesiens und Polynesiens nahmen hochrangige Frauen wichtige und sehr bedeutende Positionen in den Gesellschaften ein.

Dr. Ulrich Menter,
Fachreferat Ozeanien,
Linden-Museum Stuttgart