„Spotlight – Blick hinter die Kulissen“ – Folge 53 vom 13. Juli 2023

Wie konnten sich die Herkunftsgesellschaften Ozeaniens auf dem Meer orientieren?

Wie konnten sich die Herkunftsgesellschaften Ozeaniens auf dem Meer orientieren?

Das gelang auf unterschiedliche Weise. Eine der bekanntesten Methoden der Navigation ist der sogenannte Sternenkompass, der z.B. in Mikronesien und Polynesien eine zentrale Rolle spielt. Der Navigator muss dabei den gesamten Sternenhimmel kennen und wissen, an welchen Punkten des Horizonts einzelne Sterne auf- oder untergehen. Die Sichtung eines einzelnen Sterns erschließt ihm dann den gesamten Sternenhimmel mit seinen wichtigen Orientierungspunkten. Daneben spielte die Beobachtung von Strömungen und Wellen, der Dünung und des Wolkenzugs, aber auch die Beobachtung natürlicher organischer Phänomene wie im Wasser treibender Pflanzen, von Vögeln oder Fischschwärmen eine Rolle. Die Ausstellung zeigt auch eine sogenannte Stabkarte von den Marshallinseln in Mikronesien. Sie ist eine Navigationshilfe, die bei der Ausbildung von Navigatoren und zur Vorbereitung einer Reise benutzt wurde. Eine solche „Karte“ zeigt Inselpositionen an und setzt sie in Beziehung zu Wellen, Dünung und Kreuzseen. Während die Navigatoren in Mikronesien und Polynesien mit oftmals extrem weiten Entfernungen zwischen sehr kleinen Inseln und Atollen umgehen mussten, stellte sich die Situation in Melanesien mit seinen wesentlich größeren Landflächen zum Teil anders dar. Ganz allgemein lässt sich aber feststellen, dass die Seefahrt mit überlieferten Navigationsmethoden überall in Ozeanien eine enorme Leistung war und ist. So sind schon vor weit mehr als 5.000 Jahren Menschen in Ozeanien über Hunderte und Tausende Kilometer offene See gesegelt.

Dr. Ulrich Menter,
Fachreferat Ozeanien,
Linden-Museum Stuttgart