„Spotlight – Blick hinter die Kulissen“ – Folge 02 vom 7. März 2022
Wie haben Sie bei den Begriffen in der Ausstellung die Balance gewahrt zwischen dem historischen Kontext und der aktuellen Erwartungshaltung?
Uns erreichen viele Besucherkommentare zum Thema Sprache. Sie liegen in einen Zusatzraum in der Ausstellung aus, der im Oktober eröffnet wurde. Wir haben in der Ausstellung zahlreiche sexistische und rassistische Begriffe unkenntlich gemacht. Im Vorfeld wurde sehr lange darüber diskutiert, wie wir mit solchen Begriffen umgehen wollen. Wir haben uns zum Beispiel auch gegen die Nennung von Begriffen entschieden, um eine Reproduktion zu verhindern. Aber bei vielen Besuchern kommt das nicht gut an. Es werden sehr viele Argumente an uns herangetragen, die sich auch sehr wissenschaftlich lesen. Sie erkennen eine Art Bevormundung oder Zensur. Man würde vorschreiben, wie sie zu denken hätten und dass unser Zugriff doch sehr aktivistisch wäre, als würden wir ihnen nicht zutrauen, sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Wiederkehrend geht die Aussage besonders reflektiert zu sein, damit einher die Problematik als nicht so schlimm einzuordnen. Für mich vereinen diese Aussagen, dass sie aus einer bestimmten Perspektive heraus argumentieren, die die Sichtweisen der Betroffenen stets komplett ausklammern. Selbige verfolgen eher auch das Bestreben, bestimme Worte und Sprache nicht mehr zu verwenden. Und das lässt sich teilweise nur auf diese Weise umsetzen. Aus der Gruppe haben wir dafür großen Zuspruch erhalten, dass wir das wirklich auch so entschlossen angehen. Demgegenüber stehen wieder die, die sagen, wir würden sie bevormunden oder wir würden auch in historisches Material eingreifen. Wir sagen jedoch ‚nein‘ dazu, dass man einen Begriff verwenden muss, nur weil er Teil einer Quelle ist. Denn in unserer Ausstellung ist nicht das Original, sondern eine Inszenierung und aktuelle Auseinandersetzung mit dem Thema. Wir verweisen stets auf Originale in den Quellenangaben und sie sind in den Archiven zugänglich.
Markus Himmelsbach,
Provenienzforscher,
Linden-Museum Stuttgart