„Spotlight – Blick hinter die Kulissen“ – Folge 33 vom 2. März 2023
Grundsätzlich ist es so, dass das Konzept und System Kaste nicht abgeschafft ist. Das gibt es nach wie vor in fast allen Teilen Indiens. Verboten ist jedoch die Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit und insbesondere, jemanden als „unberührbar“ zu behandeln. Die Idee der Kaste ist aber weiterhin existent in allen Teilen Indiens und auch nach wie vor sehr einflussreich. Bei der Frage, wie man die Kastenzugehörigkeit eines Menschen erkennt, spielen verschiedene Punkte eine Rolle: Es kann der Name sein, der auf eine Familienzugehörigkeit und damit auch eine Kastenzugehörigkeit schließen lässt. Es kann der Beruf sein, denn bestimmte Berufe werden nur von Menschen bestimmter Kasten ausgeübt. Es kann aber auch der Ort sein, an dem eine Person lebt – die Frage nach dem Wohnort lässt in beispielsweise ländlichen Regionen entsprechende Rückschlüsse zu, da die Menschen teilweise dort räumlich getrennt in von der Kastenzugehörigkeit geprägten Vierteln leben.
Dazu kommt, dass auch staatliche Institutionen nach der Kastenzugehörigkeit fragen. Wenn Sie ihr Kind in die Schule bringen und das Anmeldeformular ausfüllen, tragen Sie dort auch die Kastenzugehörigkeit ein. Die Lehrer kennen sie und haben die Aufgabe, Diskriminierungen vorzubeugen. Hinzu kommt, dass viele Gemeinschaften zumindest außerhalb der Großstädte enger miteinander verbunden sind, sehr viel übereinander wissen, es wenig Privatsphäre gibt. Dadurch, dass man sich täglich begegnet und miteinander zu tun hat, ist auch das Wissen über die Kastenzugehörigkeit präsent.
Dr. Georg Noack,
Kurator Ostasien und Festland-Südostasien,
Linden-Museum Stuttgart