„Spotlight – Blick hinter die Kulissen“ – Folge 42 vom 28. April 2023
Warum wurde die Sītā-Figur aus der Zeit der Cōḻa-Dynastie für das Ausstellungsplakat ausgewählt?
Das war ein langer Prozess. Wir hatten verschiedene Varianten des Plakats mit unterschiedlichen Motiven zur Auswahl. Eine Grundidee war, ein altes Objekt mit etwas Modernem und Lebendigen zu verbinden, so wie auch die tamilische Kultur und Geschichte ganz alte Wurzeln hat, aber auch heute sehr lebendig ist. Dabei sind wir darauf gekommen, dass sich diese Cōḻa-zeitlichen Bronzen, die als Höhepunkt der indischen und auch der tamilischen Kunstgeschichte gelten, mit frischen Blumen zu kombinieren. Die frischen Blumen sind tatsächlich etwas, das den Statuen in den Tempeln heute als Geste der Verehrung umgelegt wird. Blumen sind etwas ganz Vergängliches, sie bleiben nur wenige Stunden frisch, sodass wir das hohe Alter und das frische Leben verbunden haben. Wir haben das zunächst mit unterschiedlichen Cōḻa-zeitlichen Bronzestatuen aus unserer Sammlung versucht und sind dann auf die besonders schöne Sītā gekommen. Die Kunsthistorikerin Vidya Dehejia hat sie genauer studiert, hat über sie geschrieben und festgestellt, dass sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus der Bronzewerkstatt der Cōḻa-Königin Sembiyan Mahadevi stammt. Die Cōḻas haben einige große Tempelanlagen bauen lassen. Nicht nur die Könige selbst, sondern auch einzelne ihrer Königinnen haben sich so ein bedeutendes Erbe geschaffen, darunter auch Sembiyan Mahadevi. Um Statuen für diese Tempel zu erschaffen, haben sie eigene Werkstätten begründet, in denen spezialisierte Handwerker:innen Statuen aus Granit und Bronze herstellten. Die Werkstatt der Königin Sembiyan Mahadevi hat einige der elegantesten und schönsten Stücke der Cōḻa-zeitlichen Kunst geschaffen. Diese Werke stoßen weltweit auf großes Interesse und Begeisterung, nicht nur unter tamilischen Verehrer:innen, sondern auch unter den Kunsthistoriker:innen. Aufgrund dessen ist die Sītā auf dem Plakat auch schon sehr oft gereist. Sie war bereits Teil von Ausstellungen in England und den USA und ist eines der besten und ältesten Stücke unserer Cōḻa-zeitlichen Sammlung. Vidya Dehejia datiert diese Statue etwa auf das Jahr 980. Die Schönheit, die Eleganz, das Alter und die Bedeutung in der Sammlung prädestinierten dieses Objekt für das Plakat zur Sonderausstellung „Von Liebe und Krieg“.
Dr. Georg Noack,
Kurator Ostasien und Festland-Südostasien,
Linden-Museum Stuttgart