„Spotlight – Blick hinter die Kulissen“ – Folge 31 vom 24. Februar 2023
In Tamil Nadu gibt es dabei große Unterschiede zwischen den unterschiedlichen sozialen Schichten und auch zwischen Stadt- und Landbevölkerung. In der städtischen Mittel- und Oberschicht haben sich die traditionellen Geschlechter weitgehend geöffnet. Es gibt sehr viele Möglichkeiten für Frauen, ganz unterschiedliche Wege und Lebensstile zu wählen. Auf dem Land und auch in der Unterschicht geht es häufig etwas traditioneller zu, sodass sich stärkere Aufteilungen von Lebens- und Arbeitsbereichen nach Geschlechtszugehörigkeit erkennen lassen und es schwieriger ist, diese Schranken zu überwinden.
In Tamil Nadu wurde durch die Politik seit den 1960er-Jahren sehr viel dafür getan, die Möglichkeiten von Mädchen und Frauen zu fördern. Das drückt sich statistisch beispielsweise über ein weitgehend ausgeglichenes Geschlechterverhältnis aus. Das mag selbstverständlich klingen, ist es aber nicht. Im Norden Indiens ist es nicht so und das hängt damit zusammen, dass beispielsweise Schwangerschaftsabbrüche im Norden Indiens selektiv vorgenommen werden, weil man Söhne gegenüber Töchtern bevorzugt. Das hat sich in Tamil Nadu stark verändert. Darüber hinaus hat es auch eine sehr aktive Politik der Förderung des Zugangs zu Bildung gegeben. Sie lässt sich es nach wie vor erkennen, sodass die Alphabetisierungsrate von Frauen in Tamil Nadu, aber auch in Kerala sehr viel höher ist als im Norden Indiens. In Sri Lanka sind meines Wissens traditionelle Rollenbilder noch eher vorherrschend als in Tamil Nadu. Aber auch dort ändert sich in Städten wie Jaffna inzwischen vieles. Schranken und Grenzen sind dabei, aufgeweicht zu werden. Am deutlichsten zeigt sich das in der Diaspora, wo Menschen sich ganz neu orientieren und neue Wege gehen müssen.
Dr. Georg Noack,
Kurator Ostasien und Festland-Südostasien,
Linden-Museum Stuttgart