„Spotlight – Blick hinter die Kulissen“ – Folge 01 vom 28. Februar 2022
Wie bewerten Sie Graf von Linden im Spannungsfeld zwischen einem Sammelwütigen, Bewahrer, Kulturzerstörer und Wissensverbreiter, das die Ausstellung „Schwieriges Erbe“ entwirft?
Diese Frage wird oft gestellt. Graf von Linden war nicht das eine oder das andere. Das wäre zu eindimensional. Es stellt sich vielmehr die Frage, wie die einzelnen Punkte ins Gewicht fallen. Man kann sagen, dass Graf von Linden sammelwütig war. Sonst hätte das Linden-Museum heute nicht den Umfang seiner Sammlung. Es hat ihn nicht interessiert, wie die Objekte erworben wurden. Somit hat er auch zur Zerstörung von Kultur beigetragen. All diese Facetten gilt es zu betrachten, um eine Bewertung vorzunehmen. Wir müssen uns auch immer vor Augen halten, wir bewerten aus unserer heutigen Perspektive. Es ist natürlich immer leicht zu sagen: Er war ein Kind seiner Zeit. Die damaligen Moralvorstellungen werden mit Blick auf die heutigen Werte zu Recht auch kritisch gesehen. Auch wenn bei Graf von Linden viele Kriterien mit einzubeziehen sind, ein Wissenschaftsförderer war er nicht unbedingt. Er verstand sich als Sammler und überließ der nächsten Generation die wissenschaftliche Aufarbeitung. Im Gegensatz zu vielen anderen Museen gab es in Stuttgart seinerzeit auch kein wissenschaftliches Personal, das Publikationen herausgebracht hatte und mit den Objekten arbeitete. Das kam erst später und war auch in diesem Gedanken so angelegt.
Markus Himmelsbach,
Provenienzforscher,
Linden-Museum Stuttgart